Laut Verena Kast durchläuft das trauernde Individuum vier Trauerphasen: Nicht-Wahrhaben-Wollen, aufbrechende Emotionen, Suchen und Sich-Trennen sowie Neuer Selbst- und Weltbezug. Wie lange die Phasen dauern, hängt vom Charakter und den äußeren Umständen ab. Unter Umständen bleiben Angehörige in einer der Trauerphasen stecken und gelangen nicht an den Punkt, an dem der Verlust akzeptiert wird. In dem Fall entwickelt sich eine komplizierte und gegebenenfalls krankhafte Trauer. Die Reaktionen können Isolation und Depressionen sein. Eine Psychotherapie hilft bei Schmerz- und Angst-Bewältigung. Mittels verschiedener Maßnahmen schaffen es Betroffene wieder Freude im Leben zu spüren. Durch die Trauerarbeit wird der ins Stocken geratene Trauerprozess neu angestoßen und heilsam verarbeitet.
Komplizierte Trauer
Trauer ist die natürliche Reaktion auf den Tod eines geliebten Menschen. Verlieren Familienmitglieder einen Menschen, gehen sie unterschiedlich mit der Trauer um. Jeder durchlebt den Trauerprozess auf seine persönliche Art und Weise. Der Trauerverlauf ist nicht planbar und individuell. Reaktionen, Gedanken und Handlungen entsprechen keinem festen Muster. ExpertInnen sprechen von komplizierter oder pathologischer Trauer, sofern Hinterbliebene nach mehr als sechs Monaten keine neuen Routinen haben. In diesem Fall wird die Trauer intensiv und lange erlebt. Betroffene leiden unter Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit oder Identitätsverlust. Der Körper empfindet stetige Belastung, die gesundheitliche Schäden mit sich bringen kann. Der Weg aus dieser Abwärtsspirale ist mit professioneller Trauerbegleitung oder psychologischer Hilfe zu bewältigen.
Trauernde verlieren bei komplizierter Trauer die Kontrolle über ihr Verhalten und das psychische Empfinden. Eine Therapie arbeitet Blockaden auf und hilft mittels verschiedener Modelle den Hinterbliebenen zurück in ein geregeltes, glückliches Leben.
Häufige psychische Beschwerden bei anhaltender Trauer
- Schuldgefühle
- Einsamkeit und Hilflosigkeit
- Fehlende Unterstützung durch Freunde
- Intensive Trauerreaktionen
- Gedankenfokus auf die verstorbene Person
- Selbstzweifel und Verzweiflung
- Gedanken an Suizid
Häufige körperliche Beschwerden bei anhaltender Trauer
- Magenbeschwerden
- Herz-Kreislauf-Beschwerden
- Konzentrationsschwäche
- Schlafstörung
Die Trauertherapie
Der Tod eines nahestehenden Lebewesens bringt Angehörige in eine Extremsituation. Tiefer Schmerz und Ängste belasten die Gefühlswelt. Die Trauertherapie bringt Bewusstsein über den Trauerverlauf und hilft bei der Trauerbewältigung. Individuelle Gefühle werden aufgearbeitet und können von Betroffenen besser angenommen werden. Die Aufgabe ist es, eine neue Selbstwahrnehmung zu erlangen und einen sicheren Umgang mit Stress- und Ausnahmesituationen zu erlernen. Die Trauertherapie schafft einen sicheren Start in das Leben ohne den verstorbenen Menschen. Sie kann auch Monate oder Jahre später Schuldgefühle und Blockaden lösen. Für die Wahl der richtigen Behandlung gilt es, vor der Sitzung auftretende Symptome und Beschwerden mit TrauertherapeutInnen zu klären.
Psychotherapeutische Ansätze in der Trauertherapie
Da der Trauerprozess von Hinterbliebenen individuell erlebt wird, gibt es bei der Trauertherapie keine allgemeingültige Therapieform. Die Entwicklung ist von der Verlustsituation, der persönlichen Verfassung, der Beziehung zur verstorbenen Person und anderen Faktoren abhängig. Erleiden Beteiligte eine krankhafte Trauer, sollte gemeinsam mit TrauertherapeutInnen ein Weg herausgefunden werden. Dafür arbeiten Psychologen zum Beispiel mit tiefenpsychologischen oder verhaltenstherapeutischen Ansätzen. Im Folgenden werden drei Methoden erläutert. In der Therapie können weitere lösungsorientierte Therapieformen erarbeitet und umgesetzt werden.
Tiefenpsychologische Methode
Die tiefenpsychologische Herangehensweise fasst psychotherapeutische und psychologische Vorgehensweisen zusammen. Primär geht es um unbewusste seelische Wahrnehmungen, die Auswirkung auf Denken und Handeln haben. Im Fokus stehen das Unterbewusstsein und zugehörige Prozesse, die sich nach einem schwerwiegenden Verlust negativ auf die Psyche auswirken können. Die Trauerbegleitung durch einen Psychologen arbeitet versteckte Denkweisen auf und schafft neue Anstöße in der Trauerverarbeitung.
Verhaltenstherapeutische Methode
Bei der Verhaltenstherapie werden sich dysfunktionale Verhaltensweisen bewusst gemacht und mit neuen Handlungen verknüpft. Die Therapie unterteilt sich in drei Phasen. Phase eins beschäftigt sich mit Motivationsgründen und der primären Informationsvermittlung. Danach steht die Beziehung zur verstorbenen Person und die Anpassung an die neuen Lebensumstände im Mittelpunkt der Therapie. Die dritte Phase soll neue Verhaltensweisen festigen und Rückfällen vorbeugen.
Regrief-Therapie
In der Regrief-Therapie wird eine Verbindung zur verstorbenen Person aufgebaut. Ein zentrales Brückenobjekt hilft, alle gemeinsamen Erinnerungen und Erfahrungen noch einmal zu erleben und bei Bedarf neu aufzugreifen. Als Objekt kann Schmuck, Kleidung oder etwas Persönliches des verstorbenen Menschen genutzt werden. Ziel ist es, alte Probleme abzuschließen und bewusst Abschied zu nehmen. Am Ende der Therapie wird das Brückenobjekt von TherapeutInnen einbehalten.
Ganz gleich, welches Modell gewählt wird, müssen Betroffene von selbst die Motivation aufbringen, etwas zu ändern. Dieses Thema wird in der ersten Sitzung besprochen. Parallel dazu werden Ziele gesteckt, die gemeinsam mit TherapeutInnen erreicht werden sollen. Die Trauerarbeit schafft ein besseres Bewusstsein gegenüber neuen Gefühlen, der eigenen Selbstwahrnehmung und auftretenden Emotionen.
FAQ
Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Therapie
Wenn Zeit nicht alle Wunden heilt, kann Begleitung in Form einer Trauertherapie ratsam sein. Die Medizin spricht bei anhaltender Trauer nach sechs Monaten von einer Krankheit. Die Trauerarbeit kann im Hospiz vor dem Tod beginnen oder erst nach Jahren aufgenommen werden. Den richtigen Zeitpunkt entscheiden Beteiligte selber.
Wie kann ich als Freund helfen?
Verliert ein Ihnen nahestehender Mensch eine geliebte Person, ist er auf Unterstützung aus dem Bekanntenkreis angewiesen. In der Trauerbegleitung sollten heftige Trauerreaktionen ausgehalten und verstanden werden. Urteilen Sie nicht über den Umgang mit der Trauer. Erleben Sie als Freund einen komplizierten Trauerverlauf, sollten Sie die trauernde Person bei der Planung einer Trauertherapie unterstützen. Hier ist es Ihre Aufgabe, Anlaufstellen bereitzustellen und gegebenenfalls betroffene Menschen zur Therapiesitzung zu begleiten.
Ab wann wird Trauer zur Krankheit?
Laut Experten wird eine Trauer zur krankhaften Störung, wenn die Trauerbewältigung länger als sechs Monate andauert. Nach dem Abschied finden Hinterbliebene keinen neuen Alltag. Typische Symptome sind Einsamkeit, Angstzustände, Schlafstörungen oder Appetitlosigkeit. Der Zustand schlägt auf die Psyche und wird schnell zur Belastung für den Körper. Soziale Isolation oder ein Suizid können Folgen der Erkrankung sein. Eine Psychotherapie schafft Raum für Emotionen und heilsame Gespräche.
Macht eine Trauertherapie bei Kindern Sinn?
Der Nachwuchs nimmt durch eine Verlustsituation in der Familie den Tod und die Trauer das erste Mal wahr. Traurigkeit ist ein natürliches Gefühl, das jedem Menschen angeboren ist. Wie er damit umgeht, liegt an Erfahrungen und dem Vorleben der Eltern. Besteht die Gefahr der krankhaften Trauer durch Ahnungslosigkeit oder eine schwache Psyche, macht die Kontaktaufnahme mit TherapeutInnen Sinn. In der Praxis werden bei Kleinkindern gerne hypnosystemische Maßnahmen gewählt. Dabei werden natürliche Tranceprozesse in die Therapie integriert. Die Aufgabe ist, von einer Problemtrance in eine Lösungstrance zu kommen. Das geschieht durch die Fokussierung auf eigene Ressourcen und neue Sichtweisen. Ein Zustand der Trance ist bei Kleinkindern normal. Fokussieren sie sich zum Beispiel fest auf ein neues Spielzeug, werden in der Umgebung kaum Gegebenheiten wahrgenommen. Ein solcher Zustand schafft in der Sitzung nachweisliche Chancen auf Linderung von Symptomen und Ängsten.