Fremdgehen: Was Yogis und Bodybuilder gemeinsam haben

Irgendwann war es plötzlich da. Anfangs dachte: „Ach komm. Ist ne Phase. Hast ja gerne mal welche, geht bestimmt wieder weg.“ Nope. Ich konnte es weder verneinen, noch irgendwie wegatmen: ***sehrleisesFlüstern***: Ich langweilte mich beim Yoga.

Oh mein Gott! Darf ich solch frevelhaften Gedanken als Yogalehrer überhaupt jemals in die Nähe meines Gehirns lassen? Geschweige denn, sie weiterdenken? Ich gruselte mich vor mir selbst.

Wat nu, sprach Zeus?

Lag es vielleicht an mangelder Abwechslung?

Ich legte mal einen Zahn zu. Mehr Yoga hilft mehr. Hoffte ich zumindest. Ashtanga, Bikram, Jivamukti. Vielleicht musste ich meine Praxis einfach nur gut durchmischen, um wieder auf den Geschmack zu kommen. Ich fand mich auf die Matte tropfend beim Bikram, sinnierend über die Farbwahl der Speedo des Yogainstructors, beim Ashtanga überlegend, warum ich das Abschlussmantra immer noch nicht auswendig mitsingen kann und beim Jivamukti mich schämend, da ich ja doch nur Vegetarier und kein Veganer bin.

Ich war kreuzunglücklich. Alle anderen um mich herum schienen mich mit ihrem Post- und After-Yoga-Glow, wie aus 1000Watt-Eco-Birnen anzustrahlen, während ich wie düster wie ein frisch geschminktes Emo-Mädchen im Schatten herumschlich. So ging das nicht weiter.

Ab in die Muckibude

Laufen war immer noch Atomkrieg für meinen Körper, für mein geliebtes Tanzen bräuchte ich viel zu oft Abends einen Babysitter, die Freeletics App auf meinem Handy hat mich beim Blick auf das Programm (unendlich viele Burpees – in bitteschön unter einer Minute) schon ‘müggressiv’ (Mischung aus müde und aggressiv – tödliche Kombi) gemacht. Und dass mein Freund mir nach absolviertem Crossfit-Workout fröhlich hüpfend entgegenkam, hob meine Laune keinen Deut mehr.
Ich hatte immer noch ein Zeitproblem – ich brauchte etwas, wo ich mich unabhängig von Kursplänen mal so richtig auspowern konnte. Ja-aber-beim-Yoga-kannste-dich-auch-auspowern, höre ich ferne Stimmchen maulen. Klaro geht das. Nur war das zu dem Zeitpunkt nicht genug für mich. Irgendetwas fehlte mir, dass merkte ich genau. Schließlich hatte ich das Hineinlauschen in mich, meinen Körper und dessen Bedürfnisse ja im Yoga so genau gelernt.

Ab in die „Testosteron-Ebene“

Ehe ich es mich versah, stand ich in der Empfangshalle einer Fitnesskette, die 24 Stunden lang geöffnet sein sollte. Es roch komisch. Aber ist ja auch kein Yogastudio, beruhigte ich mich leise flüsternd. Die Musik war sehr laut und es war auch recht hell. Vielleicht hätte ich mich doch nachschminken sollen, dachte ich leicht aufgeregt, während ich meinen unordentlichen Pferdeschwanz zurechtrückte. Bevor ich in weitere Details einsteigen konnte, kam der nette Studioleiter auf mich zu, mit dem ich das Probetraining telefonisch vereinbart hatte.

Und zack, fand ich mich atemlos auf dem Rudergerät wieder, danach im Keller im Freihantel-Bereich (liebevoll die “Testosteron-Ebene” genannt) und zum Schluss baumelnd am TRX Gerät.
Und es ging mir großartig! Ich fühlte mich auf einer ganz anderen Ebene ausgepowert und zufrieden, so wie schon lange nicht mehr! Dieses Training schob mich weit aus meiner Wohlfühlzone heraus und anscheinend war dieser Anreiz nötig gewesen. Für mich schließen sich Yoga und ein anderer Sport überhaupt nicht aus. Ganz im Gegenteil – beide arbeiten auf Parallel-Spuren einander zu.

Yoginis und Bodybuilder haben durchaus Gemeinsamkeiten

Krafttraining ist äußerst meditativ, wie ich feststellte, und durch die gewonnene Kraft im Schultergürtel fallen mir dynamische Yoga-Stunden jetzt extrem leicht! Yogi’s und Pumper ähneln sich in bestimmten Bereichen: Beide versuchen auf ihre Art und Weise ihrem Körper das Beste zu geben. Die einen machen es auf die interne Weise und die anderen gehen über das Außen. Völlig legitim. Und auch die Pumper lieben ihre Körper – sie streicheln sich nach getaner Arbeit zärtlich über die geschwollenen Muskelpartien und betrachten sich liebevoll und stolz im Spiegel. Wir Yoginis machen das halt eher nach innen und bedanken uns auch bei unseren Organen, was vielleicht den Pumpern nicht unbedingt als erstes einfallen würde.

Ich fing an zu verstehen, dass sich meine Yoga-Praxis über die letzten 12 Jahre ganz einfach verändert hatte. So wie ich nicht mehr die ewigmüde, junge Mutter mit einem Kleinkind geblieben bin, sondern jetzt wesentlich erfahrener mit einer Teenie Tochter im Leben stehe, haben sich auch meine Bedürfnisse und Ansprüche an meine Praxis geändert.

Endlich wieder richtig durchatmen können

Ich kann jetzt besser verstehen und akzeptieren, dass gewisse Dinge einfach nicht mehr bei mir stattfinden werden. Wie z. B. der Skorpion (f*** you endlich, jawoll). Dass viele meiner Freundinnen und Kolleginnen einfach fast galante 10 Jahre jünger sind als ich und sich in einer komplett anderen Phase ihres Lebens befinden, als ich damals in deren Alter – und auch jetzt mit Anfang 40.

Ach, ich kann gar nicht zu allen Workshops und hippen Yoga-Events dieser Hemisphäre pilgern. Ha! Abgesehen davon will ich das gar nicht – auch das war eine weitere neue und extrem befreiende Erkenntnis. Und plötzlich konnte ich wieder ausatmen. Der Druck war weg. Endlich hatte ich wieder Freude am Turnen. Egal was ich machte.

Und ist nicht alles irgendwie Yoga, wenn die Balance wieder stimmt?

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