Mit Wut richtig umgehen. Aber wie?

Vor ein paar Tagen ging es los: Ich fühlte mich mies. Unausgeschlafen sein ist ja ein Normalzustand als frische Mama. Aber ich wurde schon morgens mit einem sehr unangenehmen Gefühl im Bauch wach. Empörung. Ja, sogar richtige Wut! Ich war unzufrieden, unleidlich, ungeduldig und vor allem sehr, sehr angepisst. Einfach sauer! Sauer auf meine Müdigkeit, sauer meinen Mann, der die letzten vier Stunden nicht halbstündlich stillen musste, sauer auf meine Tochter, für die ich Hauptnahrungsquelle bin (wohlgemerkt meine eigene Entscheidung).

Da ganz offensichtlich keiner von beiden etwas dafür kann, wie wenig ich derzeit schlafe, war es mir als altem Psychotherapie-Hasen natürlich schnell klar: Das hier ist Projektion von Allerfeinsten.

Aber die Erkenntnis allein reicht ja leider nicht: Die Wut muss weg.

Ich konnte es jedoch drehen und wenden, wie ich wollte. Nichts half gegen meine kurze Lunte. Ich blökte den Mann an, wenn er da war. Wenn er arbeiten war, schnappte ich sogar ein, zwei mal verbal nach der armen Dora (das bleibt bitte unter uns. Offiziell haben Mamas sich ja immer im Griff, sonst ruft gleich noch jemand das Jugendamt). Aber was tun wenn man einfach nur wütend ist?

Ich fand kurzzeitig Wege, damit umzugehen.

Wenn Dora nicht pennen wollte, hab ich sie mir in der Trage umgeschnallt und bin mit Kopfhörern und Lady Gagas Artpop Album die Straße runter marschiert, bis das Gefühl von Ärger verpufft war und ich mich fühlte wie 28. Frischluft und Dance Pop hilft ja eigentlich immer.

Wenn ich morgens schon einen zickigen Wortwechsel mit meinem Mann angezettelt hatte, bin ich vor der Eskalation schnell unter die Dusche gehüpft. Erst heiß, dann kalt, dann lauwarm duschen. Danach ist die Wut auch erst mal weg.

Das Problem ist nur leider: die Wut kommt wieder.

Der alte Kollege lässt sich nicht so einfach abschütteln. Und er ermuntert auch dazu, unfair zu werden. Sachen zu sagen, die man vielleicht nicht zurück nehmen kann. Das Niveau der Unterhaltung wird sehr low und unsachlich. Alles total uncool. Und wenn ich eins nicht will, dann meinen Mann vergraulen. Ich bin doch so gern verheiratet. Ich war früher, in meiner Zeit der Rebellion, ein ganz schlimmer Heiratsgegner. Hab immer laut rumgetönt, dass ich es furchtbar spiessig finde. Nein, könnte mir niemals passieren. Und heute, schwupps, sitze ich hier mit einem goldenen Ring am Finger und finde es großartig. Diesen Sommer wurden so viele Vintage-Funde, Oma-Erbstücke und pompöse Klunker auf menschliche Greifinstrumente gesteckt wie noch nie in meinem Umfeld. Und wer hat jedes Mal Rotz und Wasser geheult? Richtig. Moi.

Aber zurück zum Thema.

Ich finde nicht nur die Ehe, sondern auch besonders meinen Mann sehr großartig. Und ich möchte auf keinen Fall, dass er mein Blitzableiter wird. Das passiert leider oft genug, und fühlt sich noch ein wenig fairer an, als das 6 Monate alte Baby in einem scharfen Ton zu fragen, was denn jetzt bitteschön das Problem sei. Ist es aber nicht. Seine Wut an anderen auszulassen ist immer unfair. Egal ob Baby oder Mann. Aber trotzdem ist es natürlich okay, sie zu fühlen.

Das lass uns noch mal in Fettschrift festhalten: Wut ist eine absolut valide Emotion!

Nur weil sie sich etwas unelegant äußert und nicht so akzeptiert ist wie die gern gesehenen Gäste Freude und Zufriedenheit, gehört Wut trotzdem zu dem Spektrum von Zuständen, die sein dürfen. Und by the way: Depression ist nach innen gerichtete Wut – sagte meine Therapeutin immer. Ungelebte Wut ist also auch keine Option. Wut und Zorn und Aggressionen möchten gern zum Club der akzeptierten Gefühle dazugehören, bekommen aber keine Einladung, sondern werden schnell, schnell unter den Teppich gekehrt. Niemand möchte mit ihnen zu tun haben. Und wie jedes Gefühl haben sie nur eine Aufgabe: Sie wollen mir etwas über mich erzählen. Sie sind wichtige Botschafter und sollten auf keinen Fall ignoriert werden. Sie sagen uns Bescheid, dass etwas nicht stimmt. Dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist. Sie gehören genau so dazu, wie die liebenswerten, leichten Facetten meiner Persönlichkeit, die ich mir gern anschaue.

Mit Wut umgehen. Aber wie?

Der graubärtige Osho hat mal was ganz Gutes gesagt, was ich mal geschwind in meinen Worten wiedergebe: Wenn wir wütend sind, und es an jemandem auslassen, dann gibt es eine Kettenreaktion. Die andere Person wird auch wütend. Somit bleibt die Wut in der Welt. In der Meditation geben wir die Wut an das Universum zurück und sie kann dort gereinigt werden.

In Meditation werden Emotionen nicht auf jemanden gerichtet. Sie haben keine Richtung. Sie wandern ins Universum und der Kosmos reinigt alles.

Quelle: Osho.com

Es ist also ein guter Anfang, die Wut freundlich in Meditation einzuladen. Und trotzdem: Nicht alles lässt sich einfach so wegmeditieren. Daher: Nach der Meta Ebene suchen. Sich selbst die richtigen Fragen stellen. In meiner Erfahrung ist es immer ratsam, bei wiederkehrenden Zuständen mit einem erfahrenen Therapeuten oder Coach zusammen zu arbeiten. Sich ab und an ein paar Stunden Seelenhygiene statt einer neuen Handtasche zu gönnen. Aber am Allerwichtigsten empfinde ich vor allem eins: Hinzuschauen und meiner ungeliebten Novemberwut hallo sagen. Also: Hi, liebe Wut. Da bist du ja wieder.

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